Seit Anfang 2016 gilt in Deutschland die Frauenquote. Welche Vorteile hat uns dieses Gesetz seitdem gebracht? Ist eine festgelegte Quote für die Einstellung weiblicher Menschen nach wie vor nötig? Wir beleuchten, warum es sowohl für unsere Gesellschaft als auch für Unternehmen sinnvoll ist, an der Frauenquote festzuhalten – und wie man das Gesetz gewinnbringend umsetzen kann.
Gehört hat den Begriff Frauenquote vermutlich jeder schon das eine oder andere Mal in der medialen Berichterstattung. Doch das 2015 verabschiedete „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im Öffentlichen Dienst“ genau hintereinander zu bekommen, ist gar nicht mal so unkompliziert.
Das kurz als Frauenquote bezeichnete Gesetz besagt, dass in Deutschland Positionen in den Aufsichtsräten voll mitbestimmungspflichtiger und börsennotierter Unternehmen zu mindestens 30 Prozent mit Frauen besetzt werden müssen. Für Vorstand und Geschäftsführung sollen diese Unternehmen selbst eine Zielquote festlegen. Voll mitbestimmungspflichtig bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Unternehmen mindestens 1000 Arbeitnehmer beschäftigt. Sind es mehr als 500 Arbeitnehmer, gilt das Unternehmen als mitbestimmungspflichtig.
Mitbestimmungspflichtige Unternehmen sind nicht an die 30-Prozent-Qoute gebunden. Anders als die voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen formulieren sie auch die Zielquote für den Aufsichtsrat selbst.
Unter den oben beschriebenen Voraussetzungen war es lange Zeit möglich, dass ein Unternehmen einfach ein 0-Prozent-Ziel für die Frauenquote in Führungspositionen bestimmt. Seit einer Gesetzesänderung vom August 2021 ist dies nun nicht mehr rechtens: Nun müssen Unternehmen mit einem Vorstand aus mindestens drei Mitgliedern mindestens eine Position mit einer Frau besetzen.
Als übergeordnetes Ziel gilt aber nach wie vor sowohl für mitbestimmungspflichtige als auch für voll mitbestimmungspflichtige Unternehmen die 30-Prozent-Marke für Aufsichtsrat, Vorstand und Geschäftsführung. Solange diese nicht erreicht ist, verpflichtet das Gesetz die Unternehmen zu weiterer Handlung.
Im Zusammenhang mit Geschlechter-Gerechtigkeit im Beruf ist auch häufig vom Gender Pay Gap die Rede. Hierbei ist gemeint, dass der Bruttoverdienst der Frauen im Durchschnitt niedriger ist als der Bruttoverdienst der Männer. Im Jahr 2021 etwa lag der Verdienst der Frauen um 18 Prozent unter dem der Männer.
Zwar meinen beide Begriffe nicht dasselbe, aber Frauenquote und Gender Pay Gap hängen direkt miteinander zusammen. Denn wenn wenig Frauen in Führungspositionen arbeiten, so verdienen sie auch im Durchschnitt weniger als Männer. Allerdings erklärt sich der Gender Pay Gap nicht nur durch diesen Umstand. Auch wenn die Differenz in den Verdiensten um die Rahmenbedingungen bereinigt wird, bekommen Männer mehr Geld für ihre Arbeit als Frauen (also für die Arbeit in gleicher Position).
Schon seit der Verabschiedung des Gesetzes zur Frauenquote durch den Bundestag gibt es von vielerlei Seiten Kritik. Von einigen weiblichen Politikern wird beispielsweise bemängelt, eine verpflichtende Quote trage wenig bei zu einer Änderung in der Gesellschaft. Viel mehr seien es die Bedingungen, die Frauen nach wie vor aus Führungspositionen ausschlössen, wie etwa die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Diese Politikerinnen fordern also, dass sich zunächst einmal die strukturellen Bedingungen bessern, statt Positionen nach einer Quote zu vergeben.
Auch aus dem feministischen Lager bleibt die Frauenquote nicht ohne Kritik. Schließlich impliziert eine festgelegte Quote, dass Frauen es ohne gesetzliche Hilfe nicht in Führungspositionen schaffen. Das zu behaupten ist für sich genommen auch eine Diskriminierung – und eine Quote alles andere als gleiche Behandlung beider Geschlechter, schließlich gibt es für Männer auch keine Quote.
Ein weiterer Kritikpunkt besteht darin, dass die Frauenquote eventuell an den Interessen der Frauen vorbeiläuft. Wer weiß schließlich, ob der Mangel an Frauen in Führungsetagen nicht einfach daran liegt, dass weibliche Menschen weniger Interesse daran haben, Machtpositionen zu erreichen? Dann läge der Überhang der Männer in diesen Positionen gar nicht an Benachteiligungen weiblicher Bewerber, sondern einfach daran, dass beide Geschlechter nun mal verschieden sind und sich beruflich auf andere Weise verwirklichen. Und dann wäre eine Frauenquote völlig unnötig.
1. Trotz aller Kritikpunkte: Seit Einführung der Frauenquote steigt die Zahl der weiblichen Aufsichtsratsmitglieder. Und zwar auch in Unternehmen, die von der gesetzlichen Regelung eigentlich gar nicht betroffen sind. Es scheint also sehr wohl Bewerberinnen für Führungspositionen zu geben – und einen positiven Effekt durch die Frauenquote.
2. Ein weiterer Vorteil der Frauenquote liegt außerdem im Durchbrechen des sogenannten „Thomas-Effekts“. Dieser Effekt bezeichnet das Phänomen, dass Menschen in Führungspositionen meist Bewerber einstellen, die ihnen möglichst ähnlich und vertraut sind. Das ist auch gut verständlich, schließlich hat man bei einer ähnlichen Person das Gefühl, zu wissen, auf was man sich einlässt und was der andere kann. Allerdings stellt Thomas dann eben meistens einen anderen Thomas ein – und weibliche Bewerber finden gar nicht erst den Weg in die Führungsetage. Dieser Kreislauf lässt sich ohne gesetzliche Festlegung einer Quote kaum durchbrechen.
3. Gesellschaftliche Vorteile in einer stärkeren Gleichverteilung der Rollen sind vielfältig. Greift die Frauenquote und führt letztlich zu einer veränderten Rollenverteilung und einem Umdenken in der Gesellschaft, bedeutet das auch, dass Männer beispielsweise mehr Zeit haben für ihre Familien und Kinder. Wenn Frauen nicht mehr diejenigen in der Paarbeziehung sind, die weniger Geld verdienen, landen weniger Familien zwangsläufig im klassischen Rollenmodell. Das würde beispielsweise die Rentenkassen entlasten und weniger Frauen in die Altersarmut befördern, Väter mit höherer Erziehungskompetenz hervorbringen und Kindern die Vorteile zusätzlicher, eher männlicher Erziehungsansätze eröffnen.
4. Auch Unternehmen profitieren nachweislich von einer höheren Anzahl Frauen in Führungspositionen. In einigen Studien konnte gezeigt werden, dass weibliche Führungspositionen oft eine bessere Beziehung zu ihren Mitarbeitern haben und somit letztlich auch die Qualität der Arbeit im Unternehmen verbessern. Forscher führen diesen Umstand darauf zurück, dass weibliche Führungskräfte nicht so sehr in Hierarchien denken, besser kommunizieren und sich in ihre Mitarbeiter hineinversetzen können.
5. Ein weiterer Vorteil für Unternehmen mit weiblicher Führung besteht im besseren wirtschaftlichen Abschneiden. So konnten bereits diverse Studien zeigen, dass Firmen mit gemischten Führungsetagen, also in denen beide Geschlechter gleichermaßen vertreten sind, besser durch problematische Episoden kommen. Dies wird darauf zurückgeführt, dass weibliche Führungskräfte weniger risikobereit und wettbewerbsorientiert sind. Mischen sich die Geschlechter in einer Führungsgruppe, können sich eher männliche attribuierte Eigenschaften wie etwa Durchsetzungsvermögen oder Gewinnorientierung mit eher weiblichen wie etwa Kommunikationsfähigkeit und sozialem Denken verbinden und bessere Ergebnisse liefern.
Als erstes europäisches Land hat Norwegen im Jahr 2003 eine Frauenquote eingeführt – und zwar eine verpflichtende Quote von 40 Prozent für höhere Führungspositionen in börsennotierten Unternehmen. Bei der Einführung des Gesetzes lag der Anteil weiblicher Führungskräfte bei etwa 20 Prozent. Im Jahr 2019 war dieser bereits auf über 41 Prozent gestiegen.
Norwegen wird daher oft als Beleg angeführt, dass eine Frauenquote nötig ist, um etwas an den Strukturen zu verändern. Außerdem stellen Forschende fest, dass strenge Sanktionen nötig sind, um eine Frauenquote durchzusetzen, wie etwa in Norwegen, Frankreich oder Belgien. Fehlen Sanktionsmaßnahmen (wie etwa in Deutschland oder den Niederlanden), steigen die Anteile weiblicher Führungskräfte nur moderat.
Das wichtigste Argument für eine Frauenquote ist wohl, dass sich ohne eine gesetzliche Vorgabe leider wenig an den bestehenden Strukturen ändert. Dies haben die Jahre vor der Einführung der Quote gezeigt: Obwohl das Problem schon lange bekannt und offensichtlich war, hat sich nichts an den männlich besetzten Führungsetagen geändert. Mit einer Quote hingegen steigt die Anzahl weiblicher Führungskräfte – und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern nach Einführung des Gesetzes. So leistet die Frauenquote trotz berechtigter Kritikpunkte einen wichtigen Beitrag zu einem Strukturwandel und damit zu etwas mehr Geschlechtergerechtigkeit im Berufsleben.