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Inklusion: Ein Konzept mit Chancen und Hürden für Kinder

Lesezeit von 6 Minuten
Inklusion: Ein Konzept mit Chancen und Hürden für Kinder

Im März 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland in Kraft getreten. Diese umfasst das Recht auf inklusive Bildung, was bedeutet, dass Kinder mit und ohne Einschränkung gemeinsam in einer Schulklasse lernen. Die Umsetzung dieses Konzepts bringt sowohl Chancen als auch Hürden mit sich.

Was versteht man unter Inklusion in der Schule?

Der Begriff Inklusion ist von dem lateinischen Verb „includere“ abgeleitet, was übersetzt so viel wie „einschließen“ im Sinne von Integrieren bedeutet. Die Möglichkeit einer inklusiven Bildung bedeutet demzufolge, dass Kindern mit Behinderungen dieselben Chancen und Fördermöglichkeiten offeriert werden wie ihren Mitschülern ohne Beeinträchtigungen.

In einer inklusiven Schule besuchen Kinder mit und ohne Behinderungen dieselbe Schulklasse. Wichtig zu erwähnen ist, dass es nicht darum geht, die förderbedürftigen Kinder in ein unflexibles Schulsystem zu integrieren. Der Grundgedanke der Inklusion basiert auf Flexibilität und individueller Förderung. Kein Kind soll auf der Strecke bleiben.

Das Ziel besteht darin, dass sich das deutsche Schulsystem so verändert, dass allen Kindern dieselben Chancen zuteilwerden. Dies verlangt insbesondere den Lehrkräften ein hohes Maß an Engagement, Zeitaufwand und Organisation ab. Um im normalen Schulalltag auf die besonderen Bedürfnisse inklusiver Klassen einzugehen, hapert es jedoch oftmals an zeitlichen, personellen und materiellen Ressourcen.

inklusion schule

Welche Vorteile hat eine Schule mit Inklusion?

An einer inklusiven Schule werden Schüler mit und ohne Behinderung gemeinsam unterrichtet. Hiervon profitiert vor allem das soziale Miteinander. Kinder haben von Natur aus nur wenig Berührungsängste, wenn es um körperliche oder mentale Unterschiede geht. Werden gesunde und beeinträchtigte Kinder jedoch voneinander separiert, entstehen Vorurteile und Diskriminierungs-Potenzial.

Inklusive Schulen leisten also einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag. Wer von klein auf lernt, dass jeder Mensch anders ist, erlangt im Erwachsenenalter eine höhere Sozialkompetenz. Dies ist im Berufsleben von großem Vorteil. Kinder mit Behinderungen werden im Gegenzug besser auf das Alltags- und Arbeitsleben vorbereitet.

Darüber hinaus haben Inklusionsschulen auch einen wirtschaftlichen Vorteil, da die kostenintensive Finanzierung von Förderschulen entfällt. Die Ersparnisse lassen sich stattdessen in sinnvolle Verbesserungen, wie z. B. in barrierefreies Unterrichtsmaterial investieren.

Vorteile für Schüler mit und ohne Beeinträchtigungen

Die Wahl einer inklusiven Schule ist für viele Familien heutzutage eine interessante Option. Dies gilt gleichermaßen für Eltern von Kindern mit und ohne Beeinträchtigungen. Nachfolgend möchten wir die wesentlichen Vorteile der Inklusion für die Schülerinnen und Schüler einmal näher beleuchten.

1. Individuelle Förderung für jedes Kind

Jedes Kind hat seine individuellen Stärken und Schwächen. Dennoch müssen an Schulen ohne Inklusion alle Kinder in einem vorgegebenen Tempo denselben Lehrplan abarbeiten. Wer in einem oder mehreren Fächern nicht mithalten kann, verliert entweder komplett den Anschluss oder muss privat aufwendig für Nachhilfe und Förderung sorgen.

Die inklusive Bildung zielt darauf, dass die Talente eines jeden Schülers in seinem eigenen Lerntempo gefördert werden. Dies gilt gleichermaßen für Schüler mit und ohne Beeinträchtigungen. Auf diese Weise profitieren alle Kinder vom Konzept der Inklusion.

2. Die schulischen Leistungen verbessern sich

Insbesondere Eltern von gesunden Kindern haben oftmals die Sorge, ihr Nachwuchs könne in einer inklusiven Klasse nicht ausreichend gefördert werden. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall. Funktioniert die Inklusion, werden alle Schüler bedarfsgerecht gefördert. Kinder mit Beeinträchtigungen blühen besonders auf. Sie erzielen schulische Erfolgserlebnisse, was ihre Lernmotivation weiter beflügelt.

3. Kinder lernen, dass jeder Mensch anders ist

Die Inklusion bezieht sich nicht nur auf das Lernen. Die zwischenmenschliche Komponente spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle. Indem man Kinder mit Behinderungen nicht separiert, sondern integriert, lernen ihre gesunden Mitschüler, dass eine körperliche oder geistige Beeinträchtigung nicht über den Wert oder die Liebenswürdigkeit einer Person entscheidet.

4. Bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt

Kinder, die eine inklusive Schule besuchen und dementsprechend individuell gefördert werden, erreichen oftmals einen besseren Schulabschluss. Hierdurch wird es ihnen ermöglicht, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Letzteres ist mit einem Sonderschulabschluss leider nur selten möglich.

was bedeutet inklusion in der schule

Wie kann Inklusion in der Schule umgesetzt werden?

Die Grundidee einer inklusiven Schule bewerten die meisten Lehrer, Schüler und Eltern durchaus positiv. Damit Inklusion in der Schule umgesetzt werden kann, ist es in erster Linie wichtig, ein optimales Bildungsangebot bereitzustellen, das allen Schülern gleichermaßen gerecht wird. Wie dieses Angebot im Detail aussehen sollte, ist in einem Forschungsbericht der Universität Würzburg aufgeführt.

Neben der Unterrichtsgestaltung gilt es außerdem auf Barrierefreiheit zu achten. Die Schulen müssen so ausgestattet sein, dass sich beeinträchtigte Kinder möglichst selbstständig zurechtfinden. Ergo- und Physiotherapeuten ergänzen das schulische Konzept mit ihrer Anwesenheit. In vielen Fällen ist es zudem notwendig, dass Schüler während des ganzen Schultags von einem qualifizierten Betreuer begleitet werden.

Ein weiteres Ziel der Inklusion besteht darin, Kinder mit und ohne Behinderungen ganz selbstverständlich zusammenzubringen. Hierzu können beispielsweise Projektarbeiten, Ausflüge oder Ganztagsangebote zum Einsatz kommen, die über den Schulunterricht hinausgehen. Die Lehrer sollten allen Schülern einen taktvollen Umgang mit Behinderung und Sonderbedürfnissen vorleben und vermitteln.

Erfüllung organisatorischer Belange

Damit auf die (besonderen) Bedürfnisse einzelner Schüler ausreichend eingegangen werden kann, ist die Klassengröße eine entscheidende Komponente. In einer inklusiven Klasse sollten möglichst nicht mehr als 24 Kinder sitzen. Zudem wird die Betreuung von zwei Lehrkräften übernommen, wobei eine Kraft eine sonderpädagogische Ausbildung absolviert haben muss.

Hinsichtlich der Unterstützungsbedürfnisse beeinträchtigter Kinder müssen ggf. weitere Anpassungen vorgenommen werden. Dies betrifft beispielsweise die Pausenzeiten zwischen den Unterrichtseinheiten. Auch die Teilnahme an Ausflügen und Klassenfahrten sollte für alle Kinder möglich sein. Eine konzeptionelle Verständigung zwischen allen Beteiligten bildet die Basis dafür, dass Inklusion an Schulen funktioniert.

Was braucht eine Schule für eine Inklusion?

Jetzt haben wir uns ausführlich mit den Vorteilen sowie mit den Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung von Inklusion an Schulen befasst. Nachfolgend möchten wir daher noch einmal kurz und prägnant zusammenfassen, was eine Schule für eine erfolgreiche Inklusion benötigt:

  • konzeptionelle Verständigung zwischen Schülern, Eltern und Lehrern
  • Anpassung bzw. Aufstockung der Personaldecke
  • dauerhafte Anwesenheit von Sonderpädagogen, Ergo- und Physiotherapeuten
  • regelmäßige fachliche Fort- und Weiterbildung für alle Lehrkräfte
  • Barrierefreiheit auf baulicher, technischer und digitaler Ebene
  • Anpassung der schulorganisatorischen Rahmenbedingungen (individuelle Pausenzeiten, ggf. Blockunterricht)
  • didaktisch und methodisch angepasste Rahmenbedingungen (z. B. differenzierte Unterrichtsmethoden)
  • Nachteilsausgleich für Schüler mit Beeinträchtigungen (z. B. mehr Zeit bei Prüfungen)

Herausforderungen bei der Umsetzung von Inklusion in der Schule

Damit die Inklusion nicht nur ein wohlklingendes Ideal bleibt, sondern erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden kann, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein. Damit das Konzept flächendeckend funktioniert, muss sich an deutschen Schulen noch einiges verändern. Nachfolgend eine Übersicht der aktuell bestehenden Herausforderungen:

Kommunikation zwischen Bundesregierung und den Bundesländern

Für eine funktionierende Inklusion ist die reibungslose Zusammenarbeit der Bundesregierung und der einzelnen Bundesländer erforderlich. Leider existiert noch keine einheitliche Linie, sodass das Konzept in manchen Landesteilen besser oder schlechter umgesetzt wird. Dies geht aus einer aktuellen Studie, die im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) veröffentlicht wurde, hervor.

Weiterbildung für Lehrerinnen und Lehrer

Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich beim Thema Inklusion oftmals alleingelassen. Dies spiegelt sich in der aktuellen Befragung des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) wider.

Idealismus allein reicht nicht aus, um Inklusion erfolgreich umzusetzen. Lehrkräfte brauchen gezielte Weiterbildungen. Der Unterricht selbst sollte zusätzlich von Sonderpädagogen begleitet werden. Aber auch hier sind die personellen Ressourcen knapp.

Barrierefreiheit

Viele Schulgebäude in Deutschland sind sanierungsbedürftig und demzufolge nicht für Menschen mit Beeinträchtigungen ausgerichtet. Damit Inklusion funktionieren kann, müssen unsere Schulen digitaler, moderner und vor allem barrierefrei werden. Hierzu gehört die Bereitstellung barrierefreier Unterrichtsmaterialien sowie die Installation von Fahrstühlen, Rampen und Behindertentoiletten.

Fazit: Inklusion darf keine Frage der soziokulturellen und sozioökonomischen Voraussetzungen sein

Inklusion ist ein Konzept, das bei fachgerechter Umsetzung viele Chancen bereithält. Dies gilt sowohl auf der sozialen als auch auf der bildungstechnischen Ebene. Ob ein inklusiver Schulbesuch ermöglicht wird, hängt jedoch oftmals von den soziokulturellen und sozioökonomischen Voraussetzungen des Elternhauses ab. Umso wichtiger ist es, dass Eltern bei der Schulwahl eine unabhängige und neutrale Beratung zuteilwird.

Eine inklusive Schule hat neben dem Bildungsauftrag die weiterführende Aufgabe, sich um die rehabilitativen und sozialen Bedürfnisse ihre Schüler zu kümmern. Hierzu gehört beispielsweise die Integration in den Klassenverband, Unterstützung bei der individuellen Lebensgestaltung sowie eine umfassende Beratung hinsichtlich der Berufswahl.

Abschließend zu erwähnen ist, dass es sich bei der Inklusion allein schon aufgrund der vielfältigen Anforderungen nicht um ein starres Konzept handeln kann. Damit die Umsetzung gelingt, sind Engagement, Flexibilität und Kommunikation auf allen Seiten gefragt.

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