Wo geht’s denn hier zum Glück? Mit dieser Frage hat sich Maike van den Boom intensiv beschäftigt – und ein Buch mit gleichnamigem Titel veröffentlicht. Die Bestseller-Autorin ist durch die 13 glücklichsten Länder der Welt gereist und hat das Glück erforscht. Immer mit der Frage: Was können wir von diesen 13 Ländern lernen? Mittlerweile lebt Maike van den Boom in Stockholm. Im Interview spricht sie über ihre Mission, die Deutschen glücklicher zu machen.
Maike van den Boom findet, dass wir Deutschen zu stark an alten Traditionen, Verhaltens- und Denkmustern kleben, die uns unglücklich machen. Im Interview erzählt sie: „Deshalb gucke ich, was die Länder machen, die glücklich sind, und hole ihre Gedanken nach Deutschland. Ich will keinen bekehren oder belehren, aber den Menschen etwas anbieten. Und wenn das alle ein bisschen ausprobieren, verändert sich auch was.“ Für ihre Abenteuerreise durch die 13 glücklichsten Länder der Welt war Maike neun Wochen lang unterwegs.
Ich bekam ein neues Feeling für Mentalität.
Maike van den Boom
Maike: „Jedes Land hat vier Tage von mir bekommen. Ich war also immer nur kurz vor Ort. Aber es war immer sehr intensiv, weil ich von morgens früh bis abends spät jeden interviewt habe, der mir vor die Kamera lief – plus Glücksforscher, Auslandsdeutsche und Journalisten als Experten. Das hat gereicht. Und ich muss sagen, ich die skandinavischen Länder durch meinen Umzug nach Schweden noch mal näher beleuchtet habe. Dabei habe ich erneut gemerkt, dass man ganz schnell ein Feeling für eine Mentalität bekommt, wenn man mit den Einwohnern über die Dinge spricht, die ihnen am Herzen liegen.“
Maike hat viele Erkenntnisse über Glück gesammelt. Zum Beispiel ist sie sicher, dass Freiheit ein wichtiger Aspekt des Glücklichseins ist und dass man keinen anderen für sein eigenes Glück verantwortlich machen darf. Außerdem glaubt sie, dass es viele Menschen gibt, für die Glück komisch ist und die damit nichts anfangen können. Maike. „Glück kommt immer mit einer Leichtigkeit daher. Und man braucht ein kleines bisschen Naivität oder Blauäugigkeit. Das mögen wir in Deutschland nicht gerne – bei uns muss alles sachlich und kritisch fundiert sein.“
Das bedeute nicht, dass Glück leicht oder fluffig sei. Maike van den Boom: „Glück ist harte Arbeit. Man muss sich dafür anstrengen und vor allem dafür entscheiden, glücklich zu sein. Und dann muss man sich jeden Tag bemühen, es umzusetzen. Obwohl ich ein sehr glücklicher Mensch bin, ist Stockholm eine Art Auslandspraktikum für mich. Ich probiere das, was dem Glück zuträglich ist, in meinem täglichen Leben umzusetzen. Und dabei merke ich: Ich bin ganz schön deutsch. Man hat immer seinen kulturellen Rucksack dabei und den kann man nicht einfach ablegen.“
Maike van den Boom unterscheidet zwischen einem glücklichen Leben – manche nennen es Zufriedenheit – und kurzen Glücksmomenten. Ihre Mission ist es, die Deutschen glücklicher zu machen. Das unterstellt, dass wir nicht ganz so glücklich sind wie wir sein könnten. Was steht uns im Weg? Maike: „Wir selber. Wir sind kein unglückliches Volk – aber es gibt noch Luft nach oben. Wir haben alles, was wir brauchen, aber nutzen es irgendwie nicht. Wir sind ein tolles Volk, aber stecken so tief in unseren Strukturen, in denen noch immer Neid, Vergleiche und das Messen mit anderen verwurzelt sind. Wir versuchen immer, Sachen abzutrennen und in Fächer zu stopfen. Das steht uns ein bisschen im Weg.“
Die Angst vor Verlusten und die Befürchtung, zu kurz zu kommen, wohnen laut Maike tief in unseren Herzen. Sie findet, dass es schon im Kindesalter viele Mechanismen gibt, die das Gefühl von Glück mehr oder weniger abtrainieren. Maike: „Unsere Eltern sind zum Beispiel sehr gut darin – weil sie natürlich auch schon sozialisiert sind. Dann kommt die Schule, man erhält Noten und unterscheidet in richtig und falsch, es gibt Erfolgreiche und Verlierer. Wir steigen von einer Schublade in die nächste und verlieren das Glück, weil es in einer dieser Schubladen liegen bleibt. Das Glück als Basis wäre schon da, wenn wir nicht vergessen würden, was wirklich zählt.“
Maike ist sich sicher, dass das Schubladendenken in der deutschen Kultur stärker ausgeprägt ist als in anderen. Sie berichtet: „In skandinavischen Ländern, zum Beispiel in Norwegen, sollen sich Kinder viel stärker als eigene Persönlichkeiten entwickeln. Denn die Skandinavier sagen: „Wir haben nichts davon, wenn alle gleich sind. Wie können wir zusammen etwas Einzigartiges erreichen, wenn alle gleich sind?“ Die skandinavischen Länder sind die individualistischsten Länder der Welt. Sie bieten die Freiheit, das zu tun, was einem liegt und was man als Idee im Kopf hat.“
In Deutschland traue man sich laut der Glücksforscherin häufig nicht einmal, Dinge anzusprechen, weil man in Hierarchien feststecke. Maike: „Die Skandinavier hingegen finden, es gibt nichts Wertvolleres als eine zweite Meinung. Denn es kann ja sein, dass die eigene nicht stimmt, oder dass man zusammen eine noch bessere Idee entwickelt. Das ist eine ganz andere Herangehensweise.“
Darüber hinaus zeichnen sich die skandinavischen Länder laut Maike durch weniger Strukturen und Regeln aus: „Selbst in den Unternehmen und Schulen gibt es weniger Strukturen. Regeln stehlen Energie und Motivation. Mehr Motivation erreicht man hingegen, wenn man Verantwortung übernehmen und Fehler machen darf. Lieber eine Regel streichen und einen Fehler mehr machen!“