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Binge Eating: Wenn die Seele ständig Hunger hat

Lesezeit von 6 Minuten
Binge Eating: Wenn die Seele ständig Hunger hat

Wenn es um das Thema Essstörungen geht, dann denken die meisten Menschen sofort an Magersucht oder Bulimie. Aber auch starkes Übergewicht kann ein Anzeichen einer seelischen Notlage sein. Früher oft verkannt, rückt die Binge-Eating-Störung in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit.

Aber woran kannst du erkennen, ob du selbst gefährdet oder bereits betroffen bist? Welche Ursachen liegen der Erkrankung zugrunde und welche Therapiemöglichkeiten gibt es? Das und mehr erfährst du im nachfolgenden Artikel.

Definition: Was versteht man unter Binge Eating?

Bevor wir uns den Symptomen im Detail widmen, wollen wir zunächst den Fachbegriff näher erläutern. Binge bedeutet übersetzt „Gelage“, eating ist der englische Begriff für Essen. Mit Binge Eating ist also eine exzessive, übermäßige Nahrungsaufnahme gemeint.

Während der Essattacken erleiden die Betroffenen einen Kontrollverlust. Obwohl sie bereits ein Sättigungsgefühl verspüren, essen sie zwanghaft weiter. Manche Betroffenen erleben aber auch gar keine Sättigung mehr. Während der Essanfälle werden in kurzer Zeit sehr große Menge an Nahrung aufgenommen. Die unvermeidbare Konsequenz des ständigen Überessens ist Übergewicht.

Im Umkehrschluss bedeutet das jedoch nicht zwangsläufig, dass jede übergewichtige Person unter Binge Eating leidet. Neben dem Körpergewicht spielen für die Diagnose noch zahlreiche weitere Faktoren eine Rolle. Auch normalgewichtige Personen können die Kriterien einer Binge-Eating-Störung erfüllen.

Was unterscheidet die Binge-Eating-Störung von anderen Essstörungen?

Bei einer Binge-Eating-Störung nehmen die Betroffenen in sehr kurzer Zeit eine große Menge an Nahrung zu sich. Allerdings sind derartige Essanfälle ebenso ein Symptom der Bulimie und sogar bei Magersucht können sie vorkommen. Der Unterschied besteht darin, dass Kompensationsversuche unterbleiben. Vereinfacht ausgedrückt: Nach dem Essanfall versuchen Betroffene nicht, das Essen „wieder loszuwerden“.

Bulimiekranke oder Magersüchtige erbrechen, treiben exzessiv Sport, hungern tagelang oder nehmen nach einer Essattacke Abführmittel ein. Bei Binge Eating-Patienten lässt sich nichts dergleichen beobachten. Während bei den anderen Krankheitsbildern eine Gewichtszunahme von den Betroffenen mit allen Mitteln verhindert wird, lassen Menschen mit einer Binge-Eating-Störung diese geschehen.

Anhand von Untersuchungen des RKI geht außerdem hervor, dass die Betroffenen von Binge Eating wesentlich älter sind als Magersucht- oder Bulimiepatienten. Die Erkrankung beginnt durchschnittlich im jungen Erwachsenenalter, während von den anderen beiden Essstörungsformen meistens Jugendliche oder sogar Kinder betroffen sind. Zudem liegt der Anteil männlicher Patienten bei Binge Eating deutlich höher.

Binge eating stoerung

Symptome und Anzeichen von Binge Eating

Wie bereits erwähnt, muss nicht jeder übergewichtige Mensch zwangsläufig unter einer Essstörung leiden. Ob das Essverhalten problematisch ist, lässt sich allein am Kriterium des Körpergewichts nicht immer festmachen. Hierzu müssen noch weitere Kriterien erfüllt sein, die wir uns nachfolgend näher anschauen möchten.

Welche Haupt- und Nebensymptome gibt es?

Das Hauptsymptom einer Binge-Eating-Störung sind regelmäßige Essanfälle, nach denen Kompensationsmaßnahmen, um eine Gewichtszunahme zu verhindern, unterbleiben. Die Folge ist über kurz oder lang Adipositas. Aber wann spricht man überhaupt von einem Essanfall? Schließlich hat jeder von uns beim Essen schon mal über die Stränge geschlagen.

Bei einem Essanfall werden jedoch innerhalb kürzester Zeit mehrere tausend Kalorien verzehrt. Es handelt sich um ein Ausmaß, das kein gesunder Mensch schaffen würde. Wir sprechen also nicht von der zweiten Portion am Buffet oder der ganzen Tafel Schokolade, sondern von mehreren Fast Food Menüs, Familienpackungen an Pizza, Eis und sonstigem. Kennzeichnend ist zudem der erlebte Kontrollverlust und die anschließende Scham.

Neben den charakteristischen Essanfällen und der daraus resultierenden starken Gewichtszunahme gibt es weitere Nebensymptome:

  • Hastiges Schlingen
  • Heimliches Essen
  • (Heimliche) Planung von Essgelagen (großer finanzieller und zeitlicher Aufwand)
  • Essen ohne Hunger
  • Essen ohne Genuss
  • Essen bis zum unerträglichen Völlegefühl
  • Empfinden von Scham, Ekel und Schuld nach der Essattacke
  • Wechselhafter Verlauf und symptomfreie Phasen möglich

Die emotionalen Auswirkungen von Binge Eating

Die Binge-Eating-Störung wirkt sich überaus negativ auf das emotionale Befinden von Betroffenen auf. Unter den belastenden Gefühlen von Schuld, Scham und Versagen nach einem Essanfall schwindet allmählich das Selbstwertgefühl. Es entsteht ein Teufelskreis aus Selbsthass und Schuld, die unangenehmen Gefühle werden hierbei immer aufs Neue mit Essen betäubt.

Ursachen und Risikofaktoren für die Entwicklung einer Binge-Eating-Störung

Wie bei allen Essstörungen ist die Nahrungsaufnahme auch bei der Binge-Eating-Störung nicht das eigentliche Problem, sondern ein Kompensationsmechanismus. Viele Betroffene äußern, dass sie mit dem reichlichen Essen ein emotionales Loch stopfen. Fast immer spielen mehrere Faktoren für die Entwicklung der Störung eine Rolle.

Genetische und biologische Faktoren

Genetische Faktoren können für das Krankheitsbild Binge Eating durchaus eine Rolle spielen. So kann beispielsweise eine Dysregulation des Hypothalamus – konkret ein Mangel des Neurotransmitters Serotonin – begünstigend auf die Entstehung der Essstörung wirken. Beim Hypothalamus handelt es sich um eine wichtige Schaltzentrale im Zwischenhirn, welche das Sättigungsgefühl reguliert.

Paradoxerweise können auch häufige (Extrem-)Diäten den Körper auf Essanfälle programmieren. Entziehst du deinem Körper immer wieder die Nahrung, reagiert er mit umso heftigeren Hungerattacken. Was eigentlich ein sinnvoller Mechanismus ist, kann sich jedoch zum Problem entwickeln.

Psychologische und soziale Faktoren

Neben möglichen genetischen Einflüssen spielen vor allem psychologische und soziale Faktoren bei der Entstehung von Binge Eating eine Rolle. Hierzu zählen:

  • traumatische Erfahrungen (Gewalt, Missbrauch, Mobbing, unverarbeitete Trauer)
  • geringes Selbstwertgefühl
  • familiäre Einflüsse (Belohnung durch Essen, schlechte Vorbilder, Übergewicht in der Kindheit)
  • Essen als Bewältigungsmechanismus für Einsamkeit, Wut oder zwischenmenschliche Konflikte

Einfluss von Diäten und Körperbild

In unserer westlichen Kultur gelten schlanke Körper als Schönheitsideal. Wer dieser Norm nicht entspricht und ein geringes Selbstwertgefühl besitzt, ist anfällig für die Entwicklung von Essstörungen. Gepaart mit weiteren genetischen und sozialen Faktoren sowie belastenden Lebensereignissen können Magersucht, Bulimie oder Binge Eating entstehen.

Auch wenn bei Letzterem die Kompensationsmaßnahmen unterbleiben und die Betroffenen sich immer weiter vom gängigen Ideal entfernen, bedeutet dies keinesfalls, dass sie sich dies nicht wünschen. Oftmals tritt jedoch ein Gefühl der Resignation ein. Der Hass auf den eigenen Körper wächst mit jeder Essattacke und die Motivation, etwas zu ändern, schwindet. Ganz nach dem Motto: „Jetzt ist es sowieso egal.“

Der ständige Zwang, Diät zu halten, um einem bestimmten Körperbild zu entsprechen, kann ebenfalls eine Binge-Eating-Störung begünstigen. Wie bereits erwähnt, befeuern Hungerkuren Heißhunger. Das bedeutet: Nach der Diät wird umso reichhaltiger geschlemmt, was zum Jo-jo-Effekt führt. Irgendwann geben Betroffene sich auf und lassen der Esslust freien Lauf.

Folgen und Komplikationen der Binge-Eating-Störung

Die Folgen und Komplikationen der Binge-Eating-Störung können sowohl auf physischer als auch auf psychischer Ebene gravierend sein. Umso wichtiger ist eine zeitnahe und zielgerichtete Therapie. Nachfolgend haben wir die möglichen psychischen und physischen Folgen einmal für sich zusammengefasst.

Psychische Folgen

  • Depressionen
  • Angststörungen
  • soziale Isolation
  • Selbsthass
  • Suizidgedanken

Physische Folgen

  • Adipositas
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Diabetes Typ II
  • Fettleber
  • Gicht
  • erhöhtes Schlaganfallrisiko
  • Rücken- und Gelenkschäden
Was ist binge eating

Behandlung und Therapie der Binge-Eating-Störung

Je früher die Binge-Eating-Störung erkannt und therapiert wird, umso besser sind die Heilungschancen zu bewerten. Dies gilt grundsätzlich für jede Form der Essstörung. Es gibt verschiedene Therapieansätze, welche oftmals miteinander kombiniert werden.

Kognitive Verhaltenstherapie

Die kognitive Verhaltenstherapie gilt als der Goldstandard bei der Therapie von Essstörungen. Der Fokus liegt hierbei darauf, aktuelle Problematiken (die Auslöser der Essattacken) zu identifizieren und alternative Lösungswege zu erarbeiten. Du lernst, deine Gedanken und Gefühle zuzulassen und sie zu bewältigen, ohne dabei schädigende Verhaltensweisen wie das Überessen anzuwenden.

Interpersonelle Psychotherapie

Bei der interpersonellen Psychotherapie handelt es sich um eine Kurzzeittherapie, die direkt an den Ursachen für depressive Episoden ansetzt. Ziel ist es, den Zusammenhang zwischen Verhalten und Depression zu ermitteln und alternative Verhaltensweisen zu entwickeln. Allerdings werden die Kosten für die interpersonelle Psychotherapie nicht von den Krankenkassen erstattet.

Die Rolle von Ernährung und Bewegung

Wer unter Binge Eating leidet, kommt um eine Umstellung des Lebensstils nicht herum. Anders als bei anderen Suchterkrankungen kann das Ziel jedoch nicht Abstinenz heißen, denn auf das „Suchtmittel“ Essen gänzlich zu verzichten ist weder möglich noch sinnvoll. Dementsprechend geht es darum, einen gesunden Umgang zu entwickeln. Hierfür ist meist eine professionelle Ernährungsberatung nötig.

Um ein gesundes Körpergefühl sowie auch eine indizierte Gewichtsabnahme zu unterstützen, spielt Bewegung ebenfalls eine wichtige Rolle. Eine Möglichkeit wären beispielsweise Sportgruppen für übergewichtige Menschen bzw. für Menschen mit Binge-Eating-Störung.

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Geprüft von Dr. med. Stefan Frädrich

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