Im Erwachsenenalter verändert sich die Eltern--Kind-Beziehung automatisch. Das ehemalige Machtgefällige schwindet, sodass sich im Idealfall ein vertrauensvolles Verhältnis auf Augenhöhe entwickelt. Leider ist dies in der Realität nicht immer der Fall.
Dabei haben Mütter und Söhne in der Kindheit eine ganz besondere Beziehung, so Moritz Daum, Psychologieprofessor an der Universität Zürich. Mütter lassen Jungen meist mehr Nähe zuteilwerden als Töchtern und stillen sie durchschnittlich sogar länger. Doch woher kommt dieser Wandel, sodass sich erwachsene Söhne ihren Müttern gegenüber manchmal sehr respektlos verhalten? Der nachfolgende Artikel gibt Aufschluss.
Eine Eltern-Kind-Beziehung sollte stets von gegenseitigem Respekt geprägt sein - und zwar von Anfang an. Kinder, die mit Respekt vor ihrer individuellen Persönlichkeit und ihren Gefühlen erzogen werden, sind nicht nur selbstbewusster, sondern auch empathischer im Umgang mit ihrem Umfeld.
Genau hier schließt sich der Kreis: Verhält sich ein erwachsener Sohn respektlos gegenüber Mutter, kann es durchaus möglich sein, dass sich hinter diesem Verhalten Kindheitswunden verbergen. Nur wenn die Eltern eine Vorbildfunktion einnehmen, was einen respektvollen Umgang betrifft, kann ein Kind dies im Erwachsenenalter umsetzen.
Das soll im Umkehrschluss allerdings nicht heißen, dass die Eltern grundsätzlich in der Erziehung versagt haben, wenn sich ein erwachsener Sohn respektlos gegenüber Mutter verhält. Manchmal können auch aktuelle Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten respektloses Verhalten auslösen.
Respektlosigkeit kann in keiner Weise als Normalität hingenommen werden und ist nichts, womit Mütter von erwachsenen Söhnen einfach leben müssen. Kein Mensch hat das Recht, die persönlichen Grenzen eines anderen mit Worten oder Taten zu verletzen. Verhält sich ein erwachsener Sohn respektlos gegenüber Mutter, ist meist ein Konflikt vorausgegangenen. Im Fokus kann ein aktuelles oder altes Thema stehen.
Wenn Kinder sich zu Erwachsenen entwickeln, Grenzen sie sich natürlicherweise von ihren Eltern ab. Im voranschreitenden Autonomieprozess kann es öfter zu respektlosem Verhalten kommen. Im Teenageralter könnte man also in einem gewissen Rahmen von Normalität sprechen, was keinesfalls bedeutet, dass das Fehlverhalten nicht korrigiert werden sollte.
Erwachsene Menschen - dies gilt für Mutter und Sohn gleichermaßen - sollten jedoch andere Wege kennen, um Konflikte zu lösen. Zu den häufigsten Streitthemen zwischen Mutter und Sohn im Erwachsenenalter zählen folgende Szenarien:
Zunächst macht es Sinn, sich die Definition von Respektlosigkeit einmal näher anzuschauen. Hierbei handelt es sich um Handlungen oder Äußerungen, die die Würde eines anderen Menschen angreifen. Wann dies der Fall ist, kommt generell auf das Empfinden der jeweiligen Person an. Synonyme laut Duden sind Barschheit, Grobheit, Verächtlichkeit und Würdelosigkeit.
Aber an welchen konkreten Verhaltensweisen kannst du erkennen, dass sich ein erwachsener Sohn respektlos gegenüber Mutter verhält? Nachfolgend eine Übersicht:
Wie bereits eingangs erörtert, liegt respektlosem Verhalten meist ein Kernkonflikt zugrunde, z. B. unverarbeitete Situationen aus der Kindheit, in denen der Sohn sich von seiner Mutter ungerecht behandelt gefühlt hat. Unterdrückter Frust kann sich Jahre später durch respektloses Verhalten äußern.
Oft kommt es jedoch auch vor, dass eine ehemals harmonische Mutter-Sohn-Beziehung durch Konflikte im Erwachsenenalter belastet wird. Dies kann der Fall sein, wenn die Mutter und Schwiegertochter sich nicht verstehen und der Sohn sich auf die Seite seiner Partnerin stellt. Ein häufiger Grund, der respektloses Verhalten provoziert, ist die empfundene Einmischung der Mutter in das Leben des erwachsenen Sohnes.
Auch Missverständnisse, die nie geklärt werden, können respektloses Verhalten provozieren. Nehmen wir an, die Mutter macht im Beisein ihres Sohnes folgende Bemerkung: „Du bist XY (beliebiges Familienmitglied) so ähnlich.“ Der Sohn kann dieses Familienmitglied nicht leiden und ärgert sich furchtbar über den Vergleich, obwohl dieser sich nicht auf den Charakter, sondern nur auf ein äußeres Merkmal bezogen hat.
Zunächst einmal gilt: Respektloses Verhalten muss niemand tolerieren, auch Mütter von erwachsenen Söhnen nicht. Manchmal weiß ein Sohn allerdings gar nicht, dass sein Verhalten als respektlos empfunden wird. Daher sollte eine Mutter ihre persönlichen Grenzen klar und offen kommunizieren: „Du verletzt mich mit dieser Äußerung / diesem Verhalten. Bitte unterlasse das.“
Erst wenn die Mutter für ihre persönlichen Grenzen einsteht, kann man gemeinsam an einer konstruktiven Lösung arbeiten. Bei respektlosem Verhalten ist es außerdem vollkommen legitim, die Situation erst einmal zu verlassen, damit beide Parteien sich beruhigen können: „Ich muss das erst einmal verarbeiten und melde mich nachher noch mal bei dir.“
Weiterhin ist es wichtig zu wissen, dass respektloses Verhalten eines erwachsenen Sohnes nicht zwingend bedeutet, dass die Mutter versagt hat oder dass der eigene Sohn sie nicht liebt. Auch wenn es sehr schwerfällt, solltest du als Mutter versuchen, die Respektlosigkeiten nicht allzu persönlich zu nehmen und dich stattdessen auf die Suche nach dem Kernkonflikt machen.
Eine Verbesserung der Kommunikation ist unverzichtbar, wenn sich ein erwachsener Sohn respektlos gegenüber Mutter verhält. Nicht selten resultiert respektloses Verhalten aus beiderseitigen Missverständnissen.
Ein Beispiel für eine effektive Kommunikationsstrategie ist das Senden von Ich-Botschaften. Auf diese Weise wird vermieden, dass dein Sohn deine Äußerungen als Vorwürfe auffasst.
Statt: „Du solltest dir von deinem Chef nicht so auf der Nase herumtanzen lassen.“
Lieber: „Ich würde Herrn X mal die Meinung sagen.“
Auch Söhne müssen nicht untätig bleiben, um die Beziehung zu ihrer Mutter zu verbessern. Oftmals ist das respektlose Verhalten ein Ausdruck von Hilflosigkeit und unterdrückter Wut. Sprich: Dem Sohn geht es nicht gut dabei. Die folgenden Schritte können helfen.
Schritt 1: Gehe in dich
Was macht dich so wütend, dass du deiner Mutter gegenüber ausfallend wirst? Erst wenn du die meist immer wiederkehrenden Muster identifizierst, kannst du gezielt an deinem Verhalten arbeiten.
Schritt 2: Suche das Gespräch mit deiner Mutter
Kommunikation ist der Schlüssel zu einem respektvollen Umgang miteinander. Gehe also ruhig den ersten Schritt und bitte deine Mutter um ein Gespräch. Erkläre ihr, wie du dich fühlst und welche ihrer Verhaltensweisen dich wütend machen.
Schritt 3: Alternative Verhaltensweisen
In dir kocht die Wut hoch, sodass du dich am liebsten wieder respektlos verhalten möchtest? Sofern du spürst, dass du deine Impulse nicht mehr unter Kontrolle hast, dann verlasse die Situation. Lasse deine Wut beim Sport raus oder sprich mit einer neutralen Person. Hast du dich beruhigt, kannst du das Gespräch wieder aufnehmen.
Schritt 4: Nachhaltige Verbesserung
Nachdem ihr gegenseitig eure Bedürfnisse und Grenzen kommuniziert habt, geht es nun darum, dass ihr euch beide daran haltet. Verabredet, dass ihr euch sachlich darauf aufmerksam macht, wenn eine Grenze überschritten zu werden droht.
Schritt 5: Gemeinsamkeit
Beziehe deine Mutter in dein Leben ein. Selbstverständlich nur, soweit es für dich in Ordnung ist! Erzähle ihr, was bei dir auf der Arbeit passiert und integriere sie in die Betreuung der Enkelkinder, auf Geburtstagen und Familienausflügen.
Wenn sich ein erwachsener Sohn respektlos gegenüber Mutter verhält und diesbezüglich Einsicht besteht, ist eine Familientherapie sinnvoll. Als neutraler Dritter kann ein Therapeut die zwischenmenschliche Interaktion zwischen beiden Parteien spiegeln und Kommunikationsschwierigkeiten aufdecken. Auch die Aufarbeitung von Kindheitssituationen kann ggf. eine Rolle spielen.
Nehmen wir an, der Sohn hat sich von seiner Mutter in der Kindheit unterdrückt gefühlt. Der Therapeut kann die Aufarbeitung steuern, sodass es zu einer seelischen Verarbeitung kommt. Auch die Mutter lernt sich mit ihren (früheren) Emotionen und Handlungen auseinanderzusetzen.
Im Rahmen der Therapie lernen beide Beteiligten außerdem, sich wieder anzunähern. Missverständnisse werden geklärt und gemeinsam aufgearbeitet. Adressen von Familientherapeuten findest du online oder auf Nachfrage bei deiner Krankenkasse.
