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Die Kunst des Delegierens

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Die Kunst des Delegierens

Führungskräfte delegieren Aufgaben an Mitarbeiter – so kennen es die meisten. Doch stimmt das überhaupt? Und ist es noch zeitgemäß? Oder delegieren gute Führungskräfte nicht eigentlich etwas anderes? Heute ist es nicht mehr damit getan, Aufgaben zu verteilen und dann die Ergebnisse abzufragen. Was Führungskräfte delegieren und wie sie das tun, hat sich über die Jahre und Jahrzehnte immer wieder verändert. Hier erfährst du, worauf es ankommt, wenn du delegierst.

Stell dir vor, du bist 21 Jahre alt und sollst das familieneigene Großunternehmen übernehmen. Eigentlich willst du lieber E-Gitarre spielen. Aber dann stellst du dich der Verantwortung doch.

Du trittst deinen Posten als Inhaber und Geschäftsführer an und findest erzkonservative Strukturen vor. Jahresumsatz: 4 Millionen US-Dollar. Dann krempelst du alles um. Du kippst Hierarchien und lässt alle selbst entscheiden, wann sie arbeiten. Und zwanzig Jahre später liegt der Umsatz bei 212 Millionen US-Dollar. Du hast ihn verfünfzigfacht.

Da könnte man doch schon mal überlegen, ob der herkömmliche Führungsstil aus Hierarchien und Arbeitsanweisungen klug ist.

Eine wahre Geschichte: »Partizipatives Management« bei Semco

Die Geschichte ist übrigens wahr: Erlebt hat das Ricardo Semler (* 1959), der das brasilianische Unternehmen Semco von seinem Vater übernommen hat. Ricardo Semler hat seine Erinnerungen in dem Buch »Maverick« beschrieben – zu deutsch: »Außenseiter«. Untertitel: »Die Erfolgsgeschichte hinter dem ungewöhnlichsten Arbeitsplatz der Welt«.

In seinem Buch schreibt Semler, Semco sei bei seinem Einstieg »in jeder Hinsicht ein traditionelles Unternehmen« gewesen, »mit einer pyramidenförmigen Hierarchie und Vorschriften für jede Kleinigkeit. Heutzutage aber setzen unsere Fabrikarbeiter zuweilen ihre eigenen Produktionsquoten fest und erfüllen sie sogar nach eigenen Arbeitszeitplänen, ohne vom Management dazu angetrieben werden zu müssen oder sich für Überstunden bezahlen zu lassen«.

Als erste Amtshandlung hat der junge Chef ordnerweise Regeln über Bord geworfen. Zum Beispiel die Budgetgrenzen für Geschäftsreisen. Semler schreibt: »Bei Semco sollen unsere Leute so viel ausgeben, wie ihrer Meinung nach nötig ist. (…) Wenn wir Angst davor haben, Menschen selbst darüber entscheiden zu lassen, in welcher Klasse sie fliegen wollen oder wie viele Sterne ihr Hotel haben muss, sollten wir sie eigentlich nicht losschicken, damit sie Geschäfte in unserem Namen machen, nicht wahr?« Semler nennt das Ganze »partizipatives Management«.

Nach wie vor der Klassiker: Top-down geführte Unternehmen

Und jetzt schauen wir uns mal klassische Unternehmen in heutigen Zeiten in Mitteleuropa an. So typische Führungsstrukturen mit Top-, Middle- und Lower-Management. Die Chefetage gibt die Unternehmensziele vor, das mittlere Management definiert und organisiert die Prozesse und das Lower-Management weist die Leute an, den Gabelstapler zu fahren. Vereinfacht gesagt ist es wie beim Militär: Oben sitzt der Befehlshaber mit seinem Stab, darunter sind die Offiziere angesiedelt, dann kommen die Unteroffiziere und dann die Mannschaftsdienstgrade. Die Chefs geben vor, was zu tun ist, und die Belegschaft macht das. Top-down.

Jetzt wissen die allermeisten Menschen in heutigen Unternehmen natürlich schon: So ganz zeitgemäß sind diese starren Hierarchien nicht mehr. Aber so einen radikalen Schritt wie Ricardo Semler zu gehen, das wagt kaum jemand. Bei einem Start-up lässt sich alles neu erfinden, sicher. Aber bei einem etablieren Unternehmen, das so wendig ist wie ein Hochseetanker? Nicht ganz unterkomplex.

Deshalb versuchen viele Führungskräfte, im Kleinen möglichst viel zu erreichen. Sie lassen in ihre Entscheidungen möglichst viel Sinn einfließen, sind aber zugleich von allen Seiten reglementiert. Durch Vorschriften, Prozesse und Hierarchien. Sie beißen sich die Zähne aus auf der Suche nach einer Möglichkeit, diesen gordischen Knoten zu zerschlagen, der sie so einengt und ihnen viele wichtige Entscheidungen gar nicht erst ermöglicht. Das wird auch so bleiben, solange die Unternehmensführung nicht alles auf den Kopf stellt wie Ricardo Semler. Und trotzdem können Führungskräfte etwas verändern.

Aufgaben oder Verantwortung delegieren?

Grundsätzlich delegieren Führungskräfte Aufgaben – das ist die Konvention. Sie jonglieren mit den Aufgaben, die sie »von oben« bekommen, mit der Zeiteinteilung der Mitarbeiter und mit der Zuständigkeit. Ab und zu führen sie Jahresgespräche und treffen Zielvereinbarungen. Und ja, klar, sie motivieren ihre Leute. Mit Prämien und Incentives. Die allermeisten Führungskräfte arbeiten so. Sie »führen« ihr Team und stehen als Chefin oder Chef vorne.

Obwohl die Leadership-Literatur längst davon spricht, dass Führungskräfte nicht nur Aufgaben delegieren sollten, sondern vor allem auch Verantwortung, geschieht das in den allermeisten Unternehmen noch zu selten. Auch weil das Ganze ein Streitthema ist: Lässt sich Verantwortung überhaupt delegieren? Liegt sie nicht immer beim Chef und bleibt auch da? In vielen Unternehmen hat sich der Gedanke durchgesetzt: Nein, Verantwortung kann man nicht abgeben. Brennt etwas an, wird immer noch die jeweilige Führungskraft gegrillt. Und darum delegieren wir nach wie vor nur Aufgaben.

Zugleich besticht ein Gedanke: Vielleicht kannst du als Führungskraft nicht die Gesamtverantwortung für ein Ergebnis abgeben. Aber du kannst immerhin die Entscheidungsverantwortung dafür abgeben. Also: Du kannst es deinen Mitarbeitern überlassen, welchen Weg sie wählen.

Simples Beispiel: In deiner Verantwortung als Chefin oder Chef liegt es, dass in einer schönen Location eine schöne Weihnachtsfeier stattfindet. Aber du musst die Location nicht selbst festlegen. Du musst nicht selbst entscheiden, ob es ein Menü oder ein Büffet gibt, und du musst auch nicht entscheiden, dass ihr einen Contest im Eisstockschießen macht. Das kannst du alles deinem Team anvertrauen. Gib ihnen die Entscheidungsverantwortung! Damit erfahren deine Leute die Wertschätzung, dass du ihnen zutraust, hier professionell und kompetent zu entscheiden.

Der Business Coach als Vermittler zwischen den Welten

Es gibt übrigens noch einen spannenden Gedanken, den du in deine Überlegungen einfließen lassen kannst. Ein bisschen Semler ist möglich – auch in gewöhnlichen, hierarchischen Unternehmen. Du kannst nämlich deine Kompetenz, Entscheidungen zu delegieren, zur wahren Meisterschaft ausbauen.

Neben den klassischen Führungsmethoden gibt es auch die Möglichkeit, Coaching-Methoden anzuwenden. Sprich: Du eignest dir eine neue Rolle an. Neben der Führungskraft, die ja nun fachlich und/oder disziplinarisch eine höhere Hierarchieebene repräsentiert, bist du auch Coach auf Augenhöhe. Du sprichst mit den Menschen in deinem Team so, dass sie auf ganz organische Weise selbst zu den wesentlichen Entscheidungen kommen, die zu treffen sind. Es ist ein grandioser Weg, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das große Ganze mitdenken und mitgestalten zu lassen. Es ist ein bisschen Semco.

Wir bei Greator sind ja überzeugt davon: Leadership braucht heute Coaching-Skills. Business Coaching, um genau zu sein. Der Punkt ist, die Menschen im Unternehmen von alleine auf die entscheidenden Überlegungen kommen zu lassen. Das ist mit Sicherheit auch in herkömmlichen Unternehmen möglich – ganz viele Arbeitnehmer fühlen sich nämlich auch insofern vom Arbeitgeber nicht gewürdigt, als sie niemand nach ihren tieferen Motiven und Potenzialen fragt.

Du kannst, selbst wenn du Chefin oder Chef bist, jederzeit auch Business Coach sein. Wie Laotse (6. Jh. v. Chr.) sagt: »Wer Menschen führen will, muss hinter ihnen gehen.« Das bedeutet, dass sich Führungskräfte ein wenig zurücknehmen und ihren Leuten die Bühne überlassen – durch Entscheidungskompetenz.

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