Du stehst häufig unter Anspannung oder bist in deinem Alltag oft stressigen Situationen ausgesetzt? Wer mit hohem Tempo durch sein Leben braust, sollte früher oder später ein wenig gegensteuern und sich Zeit für sich selbst nehmen. Denn gelegentliche Entspannungs-Momente sind sowohl für die körperliche als auch für die psychische Gesundheit unabdingbar. Ein Weg ist die Progressive Muskelentspannung.
Wenn du bereits gut für dich sorgst und einen gesunden Umgang mit all deinen täglichen Belastungsfaktoren hast – super! Oder fällt es dir oft schwer, innezuhalten und dich wirklich zu entspannen? Dann könnte dir vielleicht eine erlernbare Entspannungstechnik helfen. Eine davon ist die progressive Muskelentspannung, über die du alles Wissenswerte in diesem Artikel erfährst.
Die Technik der progressiven Muskelentspannung geht auf den Amerikaner Edmund Jacobsen zurück, weshalb oftmals auch von der „Progressiven Muskelentspannung nach Jacobsen" die Rede ist. Manchmal hörst du vielleicht auch die Bezeichnung „Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen (PMR)“, gemeint ist aber dieselbe Methode.
Jacobsen war Arzt und stellte schon in den 1920er Jahren fest, dass es einen Zusammenhang zwischen unserer Muskelanspannung und unseren Emotionen gibt. Sind wir ruhig und gelassen, so sind auch unsere Muskeln entspannt. Sind wir hingegen gestresst oder unruhig, spannen sich unsere Muskeln eher an. Du kennst das vielleicht, wenn du in einer emotional aufgeladenen Situation deinen Kiefer anspannst oder nach einem stressigen Tag ganz verspannte Schulter- und Nackenmuskeln hast.
Diese Erkenntnis macht sich die progressive Muskelanspannung (kurz PME) zunutze. Nacheinander werden verschiedene Körpermuskeln maximal angespannt – und dann nach kurzer Zeit bewusst wieder losgelassen und entspannt. Da diese Entspannungsmethode schon recht alt ist, gilt sie als gut erforscht. Viele Studien haben ihre Wirksamkeit nachgewiesen. Weil keine spezielle Ausrüstung erforderlich ist und jeder sie vergleichsweise leicht erlernen kann, empfehlen Psychologen die Progressive Muskelentspannung als ein gutes Verfahren zum Stressabbau. Auch Menschen mit Ängsten, Schlafstörungen oder chronischen Schmerzen wenden die progressive Muskelentspannung erfolgreich an.
Allerdings ist Entspannung natürlich eine sehr individuelle Sache. Was dir persönlich am besten hilft, um zur Ruhe zu kommen oder mit schwierigen Momenten umzugehen, musst du letztendlich selbst herausfinden. Mache doch dazu gleich am Ende des Artikels unsere Einstiegsübung in die progressive Muskelentspannung!
Prinzipiell kann jeder Mensch die progressive Muskelentspannung erlernen. Das einzige, was du für den Anfang brauchst, ist eine bequeme Sitz- oder Liegefläche. Probiere einfach aus, in welcher Position du dich am wohlsten fühlst. Einige Menschen werden im Liegen schnell müde, andere können sich erst in waagerechter Körperhaltung richtig entspannen. Falls du dich für das Sitzen entscheidest, solltest du möglichst aufrecht und mit geerdeten Füßen üben.
Gerade wenn du mit dem Üben beginnst, ist es sehr sinnvoll, wenn du die einzelnen Schritte vorgesprochen bekommst. Ständig wieder nachzulesen, was du als Nächstes tun sollst, wird dich wahrscheinlich ziemlich schnell aus deiner Konzentration herausholen. Du könntest dir unsere Einstiegsübung zum Beispiel ausdrucken und von einer vertrauten Person vorlesen lassen. Oder du nimmst dich selbst beim Vorlesen mit deinem Smartphone auf und spielst die Anleitung dann ab, wann immer du üben möchtest. Davon abgesehen benötigst du eigentlich nur einen ruhigen Ort. Vor allem bei deinen ersten Versuchen kannst du dich am Besten auf die Anweisungen einlassen, wenn du nicht gestört wirst und dich voll und ganz auf die Übungen fokussieren kannst.
Ähnlich wie bei anderen Entspannungstechniken solltest du die Progressive Muskelentspannung relativ regelmäßig üben. Das hat den Hintergrund, dass du mit der Zeit immer schneller einen Entspannungseffekt spüren wirst. Und Übungen, die du richtig gut kennst, kannst du später auch in stressigen Momenten abrufen. Die gute Nachricht ist aber: Etwa 15 Minuten täglich reichen anfangs völlig aus für eine Übungseinheit. Das klingt eigentlich machbar, oder? Vielleicht planst du dir eine feste Tageszeit für deine Progressive Muskelentspannung ein. So kann das Üben zu einem Bestandteil deines Alltags werden, sodass es leichter für dich ist, wirklich dranzubleiben. Mit der Zeit wirst du nach deiner Übung zunehmend entspannter sein als vorher. Dann kann dein Training als deine kleine Auszeit dienen, auf die du dich jeden Tag schon freust.
Wenn du dir etwas mehr Begleitung wünschst, kannst du auch nach speziellen Kursen für die Progressive Muskelentspannung in deiner Nähe Ausschau halten. Manche gesetzliche Krankenkassen übernehmen solche Kurse sogar. Auch gibt es im Handel verschiedene CDs oder Videos, die dich beim Erlernen der Methode unterstützen können.
Nach einiger Zeit, wenn du die Anweisungen der Progressiven Muskelentspannung verinnerlicht hast, wirst du wahrscheinlich keine vorgesprochene Anleitung mehr benötigen. Da du die einzelnen Körperteile nacheinander durchgehst, läuft eine Übungseinheit sehr schematisch ab. Du wirst also ziemlich schnell wissen, was als Nächstes zu tun ist, ohne dass jemand dich anleitet. Dann kannst du dir innerlich selbst vorsprechen, welches Körperteil als Nächstes dran ist.
Wenn du an diesem Punkt angekommen bist, kannst du damit beginnen, die Progressive Muskelentspannung auch außerhalb deiner täglichen Übung zu nutzen. Natürlich schafft auch deine tägliche Trainingseinheit Entlastung und hat unbedingt einen großen Wert für sich, aber die Progressive Muskelentspannung kann noch viel mehr. Wenn du bereits etwas geübt bist, kannst du einzelne Teile der Übungen nutzen, um besser mit schwierigen Situationen zurechtzukommen.
Vielleicht kennst du das auch: Du liegst abends im Bett und bist eigentlich müde. Aber irgendwie bist du noch unruhig, deine Gedanken kreisen um alles Mögliche, und du kannst einfach nicht einschlafen. Da die Progressive Muskelentspannung auch einfach im Liegen praktiziert werden kann, kannst du einfach eine Einheit starten. So kannst du deine Gedanken anders fokussieren und zur Ruhe kommen.
Oder stehst du in deinem beruflichen Alltag vielen Herausforderungen gegenüber, die die in Anspannung versetzen? Vielleicht hast du sogar regelmäßig mit Situationen zu tun, die dir Angst machen, wenn du zum Beispiel eine wichtige Präsentation oder Ähnliches halten musst? Auch in solchen Momenten kannst du die Progressive Muskelentspannung gezielt nutzen, um dich zu beruhigen und deine Aufregung herunterzuregulieren.
Dies sind nur zwei Beispiele – doch die Einsatzmöglichkeiten sind eigentlich unbegrenzt. Wann immer du von mehr Gelassenheit profitieren könntest, kannst du die Progressive Muskelentspannung für dich nutzen.
Falls du dir jetzt denkst: „Schön und gut, aber so richtig kann ich mir noch nicht vorstellen, warum das alles funktionieren soll", kein Problem. Denn du hast recht, damit eine Entspannungstechnik bei dir ihr bestes Ergebnis erzielen kann, ist es sehr hilfreich, zu verstehen, wie sie wirkt.
Wie bereits erwähnt, ist die Basis der progressiven Muskelentspannung, dass emotionale Anspannung mit muskulärer Anspannung einhergeht. Jacobsen konnte in einigen Versuchen zeigen, dass die Angst seiner Versuchspersonen reduziert wurde, wenn die Körpermuskeln sich entspannten. Daraus folgt die Annahme, dass emotionale Anspannung verringert werden kann, wenn die betreffende Person ihre Körpermuskulatur entspannt.
Nun ist es gar nicht so einfach, seine Körpermuskeln willkürlich zu entspannen. Spannst du einen Körpermuskel aber für ein paar Sekunden intensiv an, ist es recht einfach, ihn danach völlig locker zu lassen. Dieses Prinzip nutzt die Progressive Muskelentspannung aus: Nach einigen Sekunden starker Anspannung können sich alle Körpermuskeln nacheinander vollständig entspannen.
Und noch einem weiteren Effekt verdankt die Progressive Muskelentspannung ihre Wirksamkeit: Die Entspannung bleibt nicht nur auf die angesteuerten Muskeln beschränkt, sondern überträgt sich auch auf Muskeln, die wir eigentlich nicht willentlich beeinflussen können. So senkt Progressive Muskelentspannung zum Beispiel deinen Blutdruck und deinen Puls, beruhigt deine Darmtätigkeit und senkt deine Atemfrequenz.
Grundsätzlich ist die Progressive Muskelentspannung für eine Vielzahl von Personen geeignet. Da sie leicht zu erlernen ist, können sogar Kinder erste Übungsversuche machen. Wer Stress reduzieren möchte, sich nach einem Ausgleich sehnt und von mehr Gelassenheit in seinem Alltag profitieren könnte, kann mit dieser Methode ein wirksames Mittel für sich finden. Für viele Menschen ist es außerdem sehr hilfreich, dass es beim Üben „Etwas zu tun" gibt. Durch das ständige Anspannen der Muskeln ist man als Übender gut beschäftigt, anders als vielleicht bei anderen Entspannungstechniken.
Bei bestimmten Erkrankungen solltest du vorher mit deinem Arzt sprechen, wenn du die Progressive Muskelentspannung ausprobieren möchtest. Dies gilt zum Beispiel, wenn du unter Asthma oder niedrigem Blutdruck leidest. Auch bei einer psychischen Erkrankung wie etwa einer Angststörung empfehlen wir eine Rücksprache mit deinem behandelnden Arzt.
Menschen mit chronischen Schmerzen profitieren in der Regel von der Progressiven Muskelentspannung. Als Sonderfall ist hier die Migräne zu nennen. Während einige Betroffene Linderung durch die Übungen erfahren, empfinden andere die chronischen Kopfschmerzen als massiver, wenn sie regelmäßig Progressive Muskelentspannung üben.
Genug der Theorie! Im Folgenden haben wir eine beispielhafte Anleitung für eine Übung der Progressiven Muskelentspannung für dich. So oder so ähnlich könnte dein tägliches Training aussehen. Falls du in irgendeinem Muskel Einschränkungen hast, beispielsweise aufgrund einer Verletzung, lasse diesen Muskel einfach aus und springe zum nächsten. Außerdem spannst du in diesem Beispiel zuerst die rechte Seite an. Solltest du Linkshänder sein, fühlt es sich eventuell andersherum besser für dich an. Dann kannst du die Seiten problemlos vertauschen und mit deiner linken Körperseite beginnen.
Der folgende Text ist eine verkürzte Form der Progressiven Muskelentspannung, der auch in einem hektischeren Alltag Platz findet. Beim Vorlesen solltest du oder der Mensch deines Vertrauens bei jeder Klammer etwa 5 bis 10 Sekunden Pause machen. Viel Spaß beim Ausprobieren!
Nimm eine möglichst bequeme Haltung ein. Wenn es für dich angenehm ist, schließe deine Augen. Nimm dir einen kleinen Moment, um hier in deiner Position anzukommen.()
Nacheinander spannst du nun verschiedene Muskeln deines Körpers an. Versuche, beim Anspannen ein- und beim Loslassen auszuatmen.()
Wir beginnen mit den Armen. Spanne jetzt in beiden Armen die Oberarme, Unterarme und Hände fest an. Balle dazu deine Hände zu Fäusten und winkle die Arme an. Beobachte die Anspannung.() Lasse deine Arme nun wieder los.() Lasse die Arme ganz locker.()
Spanne jetzt dein ganzes Gesicht an. Die Stirn(), die Lippen(), den Kiefer(). Lasse nun dein Gesicht wieder los. () Lasse deine Stirn, deine Lippen, deine Wangen ganz weich werden.()
Beuge nun deinen Kopf nach vorne in Richtung Brust und spanne so deinen Nacken an.() Lasse nun deinen Nacken wieder los.() Beobachte, wie alle Anspannung aus deinem Nacken weicht und Platz macht für die angenehme Entspannung.()
Spanne jetzt deine Bauchmuskeln an.() Lasse deinen Bauch nun wieder locker werden.() Lass deinen Bauch vollständig los.()
Ziehe deine Schulter nach oben zu deinen Ohren.() Lasse nun deine Schultern wieder sinken und ganz locker werden.() Achte auf das angenehme Gefühl der Entspannung.()
Spanne jetzt deine Beine an. Ziehe deine Zehen nach oben, sodass Spannung in deinen Oberschenkeln, deinen Unterschenkeln und in deinem Gesäß entsteht.() Lasse Beine und Gesäß nun wieder los. () Beobachte, wie sich die Entspannung in deinen ganzen Beinen ausbreitet.()
Lasse nun deinen ganzen Körper vollständig los.() Achte auf das angenehme Gefühl der Entspannung.() Atme tief durch die Nase ein – und lösend durch den Mund wieder aus.()
Stelle dich nun darauf ein, die Übung langsam zu beenden.() Bewege langsam deine Finger und Zehen(), recke und strecke dich,() gähne oder seufze, wenn dir danach ist.() Dann öffne langsam deine Augen () und komme wieder an im Hier und Jetzt.
Du konntest bei deinen ersten Versuchen noch nicht richtig entspannen? Lasse dich nicht entmutigen, manchmal braucht es einfach etwas Übung, bis sich Effekte zeigen.
Oder möchtest du einmal eine andere Technik ausprobieren? Schau doch mal bei unserer kostenlosen Meditations-Challenge vorbei! Meditation ist bekannt für seine vielen positiven Effekte auf Geist und Körper. Wissenschaftliche Studien renommierter Universitäten und Forschungseinrichtungen zeigen: Meditation unterstützt uns dabei, dem Stress und der Schnelllebigkeit der heutigen Welt mit mehr Gelassenheit zu begegnen – raus aus dem Überlebensmodus und rein in die Entspannung.