Erziehungspartnerschaft als mögliches pädagogisches Modell der Zukunft

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Erziehungspartnerschaft als mögliches pädagogisches Modell der Zukunft

Das häusliche Umfeld ist nicht der einzige Ort und die Eltern sind nicht die einzigen (Bezugs-)personen, die die Entwicklung eines Kindes prägen. Im Kindergarten oder in der Schule werden ebenfalls wertvolle Erfahrungen gesammelt. Manchmal kommt es jedoch vor, dass die pädagogischen Werte daheim und in der Bildungseinrichtung nicht konform sind. Das Konzept der Erziehungspartnerschaft soll Abhilfe schaffen.

Aber was genau versteht man darunter und wie lässt sich dieses Konzept umsetzen? Welche Besonderheiten gibt es zu beachten? Darüber möchten wir dich nachfolgend ausführlich informieren.

Was versteht man unter einer Erziehungspartnerschaft?

Bei einer Erziehungs- oder auch Bildungspartnerschaft handelt es sich um ein Konzept, welches die Zusammenarbeit von Eltern und Pädagogen beschreibt. Im Fokus steht die gemeinsame Verantwortung für die Bildung und Erziehung eines Kindes. Kommunikation und Dialog zwischen allen Beteiligten bilden hierbei die Basis, sodass das Kind keine Diskrepanzen erlebt.

Das Ziel der Erziehungspartnerschaft besteht darin, die Kinder bestmöglich zu fördern. Dies gilt umso mehr für Kinder aus benachteiligten Verhältnissen. Der Begriff der Erziehungspartnerschaft hat im Elementarbereich die herkömmliche Elternarbeit abgelöst. Allerdings ist das Konzept nicht gänzlich unumstritten, worauf wir an gesonderter Stelle noch detaillierter eingehen.

Zusammengefasst beschreibt die Erziehungspartnerschaft ein modernes Verhältnis zwischen pädagogischen Fachkräften in Bildungseinrichtungen und Eltern, das im Idealfall von Dialogbereitschaft, Kommunikation und Kooperation auf Augenhöhe, Respekt sowie Vertrauen geprägt sein sollte. Die Eltern gelten weiterhin als Bindungs- und Bezugspersonen, werden aber gleichsam in ihrer Erziehungskompetenz unterstützt.

Was beinhaltet die Erziehungspartnerschaft?

Die Erziehungspartnerschaft basiert zu einem Großteil auf den Bestandteilen der klassischen Elternarbeit, allerdings in erweiterter Form. Die Elternarbeit umfasst sowohl Einzelgespräche mit den Eltern über ihr Kind als auch einen gemeinschaftlichen Austausch mit allen Eltern, was die Situationen sowie Verbesserungsmöglichkeiten in der Bildungseinrichtung anbetrifft.

In der Einzelarbeit, bei der ein intensiver Informationsaustausch über den Entwicklungsstand des Kindes im Vordergrund steht, können beispielsweise folgende Methoden zur Anwendung kommen:

  • Eingewöhnungsphasen
  • Ausführliche Aufnahmegespräche
  • Regelmäßige Entwicklungsgespräche
  • Durchführung regelmäßiger Tür-und-Angel-Gespräche
  • Hospitationen der Eltern
  • Hausbesuche der Pädagogen

Im Rahmen des gemeinschaftlichen Austausches sind folgende Optionen möglich und sinnvoll:

  • Elternabende
  • Gesprächskreise
  • Elternbefragungen
  • Elterncafés
  • Einrichtung eines Elternbeirats
  • Aktionen innerhalb der Einrichtung (z. B. Motto-Tage, Kinderfeste)

Wie du siehst, ist eine Erziehungspartnerschaft, was die Formen der Ausgestaltung betrifft, kein vollkommen neues Konzept. Altbewährte Methoden der Elternarbeit werden beibehalten. Der wesentliche Unterschied besteht in der Sensibilität für die individuellen Bedürfnisse von Eltern und Kindern. Die Umsetzungsformen werden bedarfsgerecht gestaltet.

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Die Ziele der Erziehungspartnerschaft im Überblick

Wie bereits ausgeführt, steht bei der Erziehungspartnerschaft das Kind als Individuum im Fokus. Jedes Kind soll nicht nur eine bestmögliche Förderung erhalten, sondern auch in einem emotional stabilen Umfeld aufwachsen. Dementsprechend sollen die oben aufgeführten Maßnahmen und Aktionen folgende Teilziele erreichen:

  • Emotionale Stabilisierung der Eltern
  • Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenz
  • Wechselseitiger, offener Austausch zwischen Eltern und Pädagogen
  • Integration sozial benachteiligter Familien
  • Miteinbeziehung der Eltern bezüglich der Abläufe in der Einrichtung
  • Integration von Familien mit Migrationshintergrund
  • Integration von Institutionen in das Gemeinwesen

Der Unterschied zwischen Elternarbeit und Erziehungspartnerschaft

Wie bereits erwähnt, hat die Erziehungspartnerschaft die Elternarbeit in deutschen Bildungseinrichtungen weitgehend abgelöst. Aber worin besteht eigentlich der Unterschied zwischen diesen beiden Konzepten? Um die Sinnhaftigkeit der Erziehungspartnerschaft zu verstehen, ist es wichtig, die Abgrenzung zur reinen Elternarbeit zu verdeutlichen.

Wie der Begriff es bereits vermuten lässt, wird bei der Elternarbeit nicht gemeinsam mit den Eltern, sondern an den Eltern gearbeitet. Die Pädagogen weisen diese auf mögliche Erziehungsfehler hin und versuchen, diese zur Korrektur anzuleiten. Der Austausch findet nicht auf Augenhöhe statt, sondern die Pädagogen verstehen sich als Experten.

Beispiel: Eine Erzieherin beobachtet, dass eine Mutter ihr dreijähriges Kind noch immer mit dem Buggy zum Kindergarten bringt, anstatt es die wenigen Meter laufen zu lassen. Sie spricht die Mutter in einem freundlichen, aber dennoch maßregelnden Ton an. Sie möge das Kind doch lieber laufen lassen, da dies sicherlich auch der motorischen Entwicklung zuträglich sei.

Im Rahmen der Erziehungspartnerschaft würde die Erzieherin mit der Mutter in den Austausch gehen, statt gleich einen konkreten Verbesserungsvorschlag zu machen. Sie würde sich nach den Beweggründen erkundigen und sich in die Perspektive der Mutter hineinversetzen. Möglicherweise gibt es einen plausiblen Grund, warum diese den Anfahrtsweg auf diese spezielle Weise handhabt.

3 Gründe, warum Erziehungspartnerschaft so wichtig ist

Die Erziehungspartnerschaft geht weit über das „In-Kenntnis-Setzen“ der Eltern über das Betragen und die Entwicklung ihres Kindes hinaus. Aus bildungspolitischer Sicht sprechen vor allem folgende Gründe für das weiterentwickelte Konzept der Elternarbeit:

1. Sicherstellung der Bildungsgleichheit

Ob Kinder im deutschen Bildungssystem erfolgreich sind, hängt maßgeblich von der Unterstützung ab, die sie daheim erfahren. Allerdings sind nicht alle Eltern in der Lage, die notwendige Unterstützung zu leisten. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn aufgrund von Migration Sprachbarrieren bestehen oder wenn die Eltern durch mangelnde Förderung in der Kindheit selbst Bildungslücken aufweisen.

Infolge dieser Erkenntnisse, die auf der ersten PISA Studie 2001 beruhen, ist in Deutschland die Aufwertung des Elementarbereichs erfolgt. Das bedeutet, dass Kinder so früh wie möglich auch außerhalb des Elternhauses gefördert werden sollen, damit gravierende Bildungsungleichheiten gar nicht erst entstehen.

Eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern ist dennoch oder besser gesagt vor allem deshalb unabdingbar. Die Erziehungspartnerschaft zielt darauf ab, die Erziehungs- und Bildungskompetenz aller Eltern zu stärken. Je bildungsferner diese sind, umso wichtiger ist dieser Aspekt. Die Erziehungspartnerschaft sorgt also dafür, dass kein Kind aufgrund mangelnder Förderung schulisch auf der Strecke bleibt – wie diese Studie bestätigt.

2. Berücksichtigung der Vielfalt von Lebens- und Familienformen

In der heutigen Zeit werden Pädagogen in ihrer täglichen Arbeit mit zahlreichen verschiedenen Lebens- und Familienformen konfrontiert. Neben verschiedenen Kulturen gibt es z. B. vermehrt Regenbogen- oder Einelternfamilien. Die wichtigste Aufgabe und gleichsam auch die größte Herausforderung der Bildungseinrichtungen besteht darin, die Erziehungspartnerschaft auf die individuelle Familiensituation anzupassen.

Hierzu gehören beispielsweise Themen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber vor allem individuelle Anliegen der Familien. Diese Ansprüche wären durch klassische Elternarbeit nicht zu erfüllen. Es bedarf vielmehr eines flexiblen und individualisierbaren Konzepts wie der Erziehungspartnerschaft.

3. Wachsende Erziehungs- und Bildungsverantwortung von Kindertageseinrichtungen

Kinder halten sich zunehmend immer früher in Kindertagesstätten auf. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass zahlreiche Eltern zeitnah wieder ins Berufsleben einsteigen müssen oder möchten. Dementsprechend fällt den Einrichtungen ein elementarer Anteil an der Erziehungsarbeit zu. Dies gelingt am besten, wenn zwischen den Pädagogen und den Eltern ein reger und wertschätzender Austausch stattfindet.

Im Rahmen der Erziehungspartnerschaft gestalten die Eltern die Abläufe in der Einrichtung aktiv mit, sodass sichergestellt ist, dass die frühkindliche Erziehung und Förderung ihres Kindes in ihrem Sinne verläuft. Die Pädagogen unterstützen wiederum die Eltern, ihre Erziehungskompetenz zu erweitern.

Beide Parteien diskutieren Erziehungsfragen und einigen sich auf eine gemeinsame Leitlinie. Das Kind erlebt die Eltern sowie die Pädagogen als Einheit. Es erlebt keine Diskrepanzen, was seine Erziehung anbetrifft. Diese Stabilität ist für die kindliche Entwicklung besonders wichtig.

Interessant zu wissen: Viele Eltern leiden unter einem schlechten Gewissen, wenn sie ihr Kind vor dem dritten Lebensjahr in fremde Obhut geben müssen. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2016 ist dies jedoch unbegründet. Kinder, die vor ihrem dritten Lebensjahr eine Kita besuchen, erzielen bei der Schuleingangsuntersuchung oftmals bessere Ergebnisse.

wie gelingt eine erfolgreiche erziehungspartnerschaft

Kritik am Konzept der Erziehungspartnerschaft

Wie bei jedem Konzept gibt es auch bei der Erziehungspartnerschaft kritische Aspekte, die wir ebenfalls beleuchten möchten. Der Grundgedanke der Erziehungspartnerschaft mag schlüssig und sinnvoll erscheinen, allerdings ist die praktische Umsetzung nicht immer reibungslos möglich. Folgende Kritikpunkte sorgen immer wieder für Diskussionen:

1. Partnerschaft auf Augenhöhe

Eine Partnerschaft auf Augenhöhe zwischen Eltern und Pädagogen ist nicht immer möglich. Einerseits setzt die Erwartung der Gleichheit voraus, dass die Expertise der Eltern denen der Pädagogen entspricht, was bedeuten würde, dass im Grunde genommen keine pädagogische Ausbildung benötigt wird.

Andererseits haben Bildungseinrichtungen rechtliche und politische Richtlinien zu erfüllen, bei denen die Eltern schlichtweg kein Mitspracherecht ausüben können. Vollkommene Gleichberechtigung kann es in dieser Partnerschaft also nicht geben. Kritiker bezeichnen diese sogar als Illusion.

Weiterhin ist zu bedenken, dass bei der Erziehungspartnerschaft auch gegenseitige Sympathie eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen dürfte. Befinden sich Eltern und Pädagogen auf einer Wellenlänge, kann das Konzept durchaus sehr erfolgreich sein. Ist dies jedoch nicht der Fall, sind Reibereien vorprogrammiert. Letztere gehen letztendlich zulasten des Kindes.

2. Schwankende elterliche Beteiligung

Im Rahmen der Erziehungspartnerschaft sollen Eltern aktiv über alle Abläufe in der Einrichtung mitentscheiden. Abgesehen davon, dass dies nicht immer umsetzbar ist und auch von einigen Pädagogen kritisch gesehen wird, fehlt einigen Eltern schlichtweg die Zeit für ein derart intensives Engagement. Manche Eltern fühlen sich von der großen Erwartungshaltung eher über- statt entlastet.

Das Gelingen der Erziehungspartnerschaft hängt demzufolge stark vom möglichen elterlichen Engagement ab, das wiederum von zeitlichen Ressourcen, kulturellen Hintergründen sowie zugetrauten Kompetenzen abhängig ist. Da jede Familie einen individuellen Background hat, funktioniert das Konzept nicht für alle Familien gleich gut.

3. Mangelnde Einbeziehung des Kindes

Auch wenn es bei der Erziehungspartnerschaft um das Wohle und die Bildung des Kindes geht, werden die Kinder kaum einbezogen. Das Konzept konzentriert sich voll und ganz auf die Interaktion zwischen Pädagogen und Eltern. Hierdurch besteht jedoch das Risiko, dass wichtige Aspekte übersehen werden.

Je nach Alter und Entwicklungsstand ist es durchaus möglich, Kinder in die Entwicklungsgespräche aktiv einzubeziehen. Auf diese Weise können die Kinder mitteilen, was aus ihrer Sicht gut gelingt und an welchen Stellen es Optimierungsbedarf gibt.

Fazit: Erziehungspartnerschaft als mögliches pädagogisches Modell der Zukunft

Das Hauptziel der Erziehungspartnerschaft ist das Kindeswohl. Hierzu wollen beide Parteien – Eltern sowie pädagogische Fachkräfte – im Rahmen ihrer Möglichkeiten beitragen. Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass beide Parteien immer einer Meinung sein müssen. Wie in jeder anderen Partnerschaft sind unterschiedliche Ansichten beizeiten nicht vermeidbar. Konflikte werden jedoch stets wertschätzend und auf Augenhöhe ausgetragen.

Das Konzept der Erziehungspartnerschaft bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Unsere Ausbildung zum Lerncoach basiert ebenfalls auf der Wertschätzung der Individualität des einzelnen Kindes sowie auf der Förderung der Elternkompetenz. Die Ausbildung dauert drei Monate und eignet sich sowohl für Eltern als auch für Personen, die gerne mit Kindern arbeiten und diese unterstützen möchten.

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