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Opfer von Stalking: Befreie dich von Schuldgefühlen

Lesezeit von 6 Minuten
Opfer von Stalking: Befreie dich von Schuldgefühlen

Im Jahr 2022 wurden laut Statista rund 21.436 Fälle von Stalking in Deutschland erfasst, wobei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Stalking ist demzufolge ein ernst zu nehmendes Problem in unserer Gesellschaft.

Das Tückische am Straftatbestand des Stalkings ist, dass es sich sehr schwer nachweisen lässt. Dies ist für die Opfer, die überwiegend weiblich sind, eine große Belastung. Nachfolgend möchten wir uns mit der Frage beschäftigen, welche Verhaltensweisen konkret unter Stalking fallen und wie du dich schützen kannst.

Definition von Stalking: Was es bedeutet und welche Verhaltensweisen dazu gehören

Der englische Begriff „to stalk“ stammt ursprünglich aus der Jägersprache und bedeutet wörtlich übersetzt so viel wie heranpirschen, hetzen und jagen. Sinngemäß ist mit Stalking also das wiederholte Nachstellen und Belästigen eines Individuums gemeint. Die Ausprägungen können individuell verschieden sein. Stalker sind meist sehr einfallsreich, was ihre Methoden der Belästigung und Nachstellung anbetrifft.

Doch ganz gleich, in welcher Erscheinungsform das Stalking auftritt: Die Opfer fühlen sich in ihrer Lebensführung massiv eingeschränkt und empfinden einen immensen Leidensdruck. Das Gefühl, ständig verfolgt zu werden, zermürbt auf Dauer die Psyche.

Stalking beginnt vorwiegend harmlos. Daher ist es für Betroffene schwer, eine Straftat nachzuweisen. Die Grenze zwischen dem legitimen Bemühen um eine Freundschaft oder Beziehung und strafbarer Nachstellung verläuft fließend. Zu den typischen Verhaltensweisen bei Stalking zählen:

  • ständige Anrufe, SMS und Mails zu jeder Tages- und Nachtzeit sowie am Arbeitsplatz
  • wiederholte ellenlange Briefe mit unerwünschten Liebesbekundungen, Bedrohungen oder Beleidigungen
  • unerwünschte Geschenke
  • Kontaktaufnahme über dritte Personen
  • Ausfragen von Freunden, Familienangehörigen und Bekannten des Opfers
  • ständiger Aufenthalt in der Nähe des Opfers, sowohl im realen Leben als auch online
  • Warenbestellungen im Namen des Opfers
  • öffentliche Beleidigungen und Diffamierungen
  • Eindringen in die Wohnung
  • Sachbeschädigung (z. B. zerstochene Autoreifen)
  • Bedrohung und Nötigung, auch sexueller Art
  • Körperverletzung
  • im Extremfall: Totschlag oder Mord

Wichtig zu wissen: Gerade bei Geschenken, Anrufen und Briefen ist es schwer, Stalking nachzuweisen. Wichtig ist, dass du der betreffenden Person zuvor einmal klar und deutlich gesagt hast, dass du jetzt sowie auch in Zukunft keinerlei Kontakt wünschst. Wird dies mehrfach penetrant ignoriert, handelt es sich auch bei vermeintlichen Kleinigkeiten um Stalking.

Stalking-Opfer

Psychische und physische Folgen für die Betroffenen

Die Auswirkungen von Stalking können massiv sein und die Lebensqualität des Opfers stark beeinträchtigen. Das penetrante Nachstellen führt nicht selten zu Panikattacken, z. B. wenn das Telefon klingelt oder es an der Tür läutet. Schließlich muss das Opfer ständig befürchten, dass der Stalker ihm erneut auflauert. Die große Angst vor dem Stalker kann sogar in einem Nervenzusammenbruch enden.

Wird die Verfolgung über einen längeren Zeitraum fortgesetzt, fühlen die Betroffenen sich meist wie gefangen. Es ist kaum noch möglich, einen normalen Alltag zu leben. Dieser Umstand kann zu Depressionen bis hin zu Suizidgedanken- oder Handlungen führen. Die erlebte Ohnmacht ist für die Betroffenen oftmals das Schlimmste, denn nicht immer gelingt es, den Psychoterror wirksam zu unterbinden.

Dass Körper und Seele eine Einheit bilden, ist längst wissenschaftlich erwiesen. Die körperlichen Folgen von Stalking sind aus diesem Grunde ebenfalls nicht zu unterschätzen. Die seelische Anspannung führt häufig zu Erschöpfungszuständen, Albträumen oder psychosomatischen Beschwerden wie Kopf- oder Rückenschmerzen.

Gesetzliche Regelungen: Rechtliche Konsequenzen und Schutzmaßnahmen gegen Stalking

Seit 2007 gilt Stalking in Deutschland als Straftat. Laut § 238 StGB macht sich derjenige strafbar, der durch Nachstellung die Lebensführung einer anderen Person in nicht unerheblicher Weise beeinträchtigt. Letzteres zu beweisen, obliegt nach der alten Gesetzesregelung jedoch den Opfern.

Das Opfer muss oftmals lebensverändernde Maßnahmen wie einen Umzug oder Arbeitsplatzwechsel vornehmen, um eine strafrechtlich relevante Beeinträchtigung seiner Lebensführung nachzuweisen. Da diese Tatsache von Opferschützern vielfach kritisiert worden ist, erfolgt im Jahre 2017 eine Anpassung des Stalking-Paragrafen.

Seit 2017 sind lebensverändernde Maßnahmen als Beweis nicht mehr nötig. Die beeinträchtigte Lebensgestaltung reicht aus. Um diese nachzuweisen, gibt es mehrere Anhaltspunkte. Als Indizien können Opfer z. B. Anrufprotokolle, Nachrichten sowie ärztliche Atteste vorlegen. Um das Verhalten eines Täters als Stalking zu klassifizieren, muss ein kontinuierlicher psychischer Druck nachweisbar sein.

Stalking: Wie ist hoch das Strafmaß?

Wird ein Täter wegen Nachstellung verurteilt, drohen ihm folgende Konsequenzen:

  • Stalking: Geldstrafe oder Freiheits­strafe von bis zu 3 Jahren
  • im besonders schweren Fall: Freiheits­strafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren
  • Stalking mit Todesfolge: Freiheits­strafe von 1 Jahr bis zu 10 Jahren

Ich habe meinem Expartner mehrfach hinterhertelefoniert: Habe ich mich dadurch strafbar gemacht?

Wie bereits erwähnt, verläuft die Grenze zwischen dem legitimen Versuch, Kontakt zu einer Person herzustellen und dem Straftatbestand des Stalkings fließend. Wenn du deinem Expartner – von Liebeskummer getrieben – hinterhertelefoniert oder ihm viele Nachrichten zu unmöglichen Uhrzeiten geschickt hast, macht dich das noch nicht zum Stalker.

Laut Gesetz ist eine einzelne Stalkinghandlung, wie z. B. das häufige Anrufen alleine nicht strafbar. Entscheidend ist das Gesamtbild deiner Handlungen. Wiederholen diese sich oder nehmen schrittweise an Intensität zu, kann dies die Lebensqualität der anderen Person beeinträchtigen. Ist dieser Punkt erreicht, spricht man von Stalking.

Prävention: Tipps, um Stalking zu vermeiden oder frühzeitig zu erkennen

In den allermeisten Stalking-Fällen sind die Täter für die Opfer keine Unbekannten. Nicht selten handelt es sich beispielsweise um Expartner, die eine Trennung nicht akzeptieren können. Auch zurückgewiesene Freunde oder Arbeitskollegen, die sich eine tiefergehende Freundschaft oder gar Liebesbeziehung erhofft haben, können zu Stalkern werden.

Sofern dich bei einer Person ein ungutes Bauchgefühl beschleicht oder es zu denkwürdigen Situationen kommt (z. B. plötzliche Liebesschwüre), solltest du aufmerksam werden. Meist liegst du mit deiner Intuition richtig. Um Stalking frühzeitig zu erkennen und im Idealfall zu verhindern, können dir folgende Maßnahmen helfen:

1. Setze Grenzen

Teile der betreffenden Person einmal unmissverständlich mit, dass du keinerlei Kontakt wünschst. Lasse dich anschließend auf keine weiteren „klärenden Gespräche“ ein.

2. Vertraue dich jemandem an

Je isolierter du bist, umso einfacher machst du es dem Stalker. Weihe daher Familie, Freunde und Arbeitskollegen ein. Auf diese Weise fühlst du dich geschützt und schreckst den Stalker ab. Je mehr Menschen von ihm wissen, umso schwerer kann er agieren.

3. Wechsle deine Handynummer und Mailadresse

Es mag ungerecht erscheinen, aber dennoch kann es sich lohnen, wenn du dir eine Geheimnummer besorgst und deine Mailadresse wechselst. Auf diese Weise schaffst du dir ein wenig Ruhe.

4. Dokumentiere die Übergriffe

Führe ein Stalkingtagebuch, in welchem du die Vorfälle sorgfältig mit Uhrzeit und Datum notierst. Möglicherweise gibt es sogar Zeugen, die du benennen kannst. Bewahre außerdem alle schriftlichen Beweise wie E-Mails oder SMS auf.

5. Datenschutz

Dieser Tipp ist besonders wertvoll, wenn es präventiv um Cyber-Stalking geht: Sei in den sozialen Netzwerken vorsichtig mit deinen persönlichen Daten! Entsorge Briefumschläge und Kontoauszüge nicht im Hausmüll. Zudem solltest du keine Warensendungen annehmen, die du nicht selbst bestellt hast.

6. Erstatte Anzeige

Erstatte Anzeige bei der Polizei. Hierfür ist das bereits erwähnte Stalking-Tagebuch nützlich. Die Polizei wird den mutmaßlichen Täter vorladen und eine sogenannte Gefährderansprache durchführen. Dies wirkt auf viele Stalker bereits so abschreckend, dass sie ihre Belästigungen hinterher unterlassen.

Hilfe bei Stalking

Unterstützung für Stalking-Opfer: Hilfsangebote und Ressourcen

Für Stalking-Opfer und ihre Angehörigen gibt es mittlerweile zahlreiche Hilfsangebote. Eine bundesweite Opferhilfsorganisation, die jährlich rund 700 Stalking-Opfer ehrenamtlich betreut, ist der Verein Weisser Ring e. V. Dieser hat auch die No Stalk App entwickelt, die Opfer dabei unterstützt, Übergriffe zu dokumentieren.

Auch kriminalpolizeiliche Beratungsstellen sowie der Bundesverband der Frauenberatungsstellen sind kompetente Anlaufstellen. Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ (Tel. 08000 116 016) kann dich an Opferhilfsorganisation und Beratungsstellen in deiner Nähe verweisen. Auch Angehörige sind in den allermeisten Einrichtungen willkommen.

Wie man mit Stalking umgeht: Strategien für Betroffene und ihr Umfeld

Zunächst einmal gilt: Befreie dich von dem Schuldgedanken. Du kannst nichts dafür, dass du Opfer von Stalking geworden bist. Du hast deinen Stalker weder ermutigt noch ihn in irgendeiner anderen Weise zu seinen Handlungen getrieben. Es handelt sich um einen erwachsenen Menschen, der gerade eine Straftat begeht. Dies zu verstehen ist wichtig, um in der belastenden Situation einen kühlen Kopf zu bewahren.

Weihe anschließend dein Umfeld ein. Je mehr Menschen von deinem Stalker wissen, umso besser. Es gilt die Devise: Öffentlichkeit schützt! Als Angehöriger hilfst du dem Stalking-Opfer am besten, indem du dein offenes Ohr anbietest, auch wenn es scheinbar keine anderen Themen mehr zwischen euch gibt. Wenn ihr euch nahesteht, ist es außerdem denkbar, dass du das Opfer zu Gerichtsterminen oder zur Polizei begleitest.

Im Umgang mit dem Stalker gilt, dass du als Opfer keinesfalls auf die Kontaktversuche eingehen solltest! Auch ein vermeintlich klärendes Gespräch wird nichts mehr ändern. Bleibe konsequent und ignoriere sämtliche Anrufe, Nachrichten und Geschenke. Erstatte Anzeige bei der Polizei. Sollte Letzteres keine Wirkung zeigen, hilft eine einstweilige Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz.

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